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Datum - 11.06.2024
19:00 - 21:00
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Mit Nora Zapf und Martin von Koppenfels (Moderation)
Die Originale rezitiert: Sara Gómez Schüller
Sor Juana Inés de la Cruz, geboren in San Miguel Nepantla (Mexiko), ist eine der erstaunlichsten Dichterinnen der Weltgeschichte und wurde ehrend ‚Zehnte Muse‘ oder ‚Phönix von Mexiko‘ genannt. Sie vereint in ihrer Lyrik, ihren Theaterstücken und Briefen Feminismus mit Theologie, europäisches und indigenes Wissen, Astronomie und Musikreflexion. Zu ihr kamen Gelehrte aus der ganzen Welt, um sich auszutauschen. Ihr Gedicht „Erster Traum“ ist unerhört modern in der Auffassung von Schlaf und Traum: Die Seele der schlafenden Frau, deren Körperfunktionen in einer Art Dämmerzustand befangen sind, macht sich auf eine Reise zu verschiedenen Mythen und philosophischen Diskussionen, will die höchsten Pyramiden, Türme und Berge erklettern. Sie muss aber, wie alle Menschen, scheitern an dem Verlangen, alles zu verstehen, die Vielfalt der Dinge zu entschlüsseln und wacht – nach 975 Versen – in diesem neuen Bewusstsein auf. Das weltweit vielrezipierte Langgedicht Sor Juanas liegt nun in einer neuen Übertragung der Dichterin und Literaturwissenschaftlerin Nora Zapf (geboren 1985) vor; der Lehrstuhlinhaber für Komparatistik an der LMU Martin von Koppenfels (geboren 1967) gestaltet die Präsentation mit der Übersetzerin. Beide sind Mitglieder im Kuratorium der Stiftung Lyrik Kabinett. Den spanischen Originalen leiht Sara Gómez Schüller ihre Stimme.
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Pyramidal, düster brach der Erd-
schatten auf zum Himmel und die
blasierte Spitze des Eitel-Obelisken
war schon am ersten Sterneklettern;
obschon die schönen Lichter,
die immer frei stehn, immer blinzeln,
über diesen finstren Kampf,
den mit Dunkeldampf der furchtbar
flüchtige Schatten provozierte,
nur lachen konnten aus der Ferne,
[…]
Sor Juana Inés de la Cruz: Erster Traum. Spanisch / Deutsch. Aus dem mexikanischen Spanisch und mit einem Nachwort von Nora Zapf. Mit einem Vorwort von Johannes Kleinbeck und Oliver Precht, Turia & Kant 2023, S. 25.