Von Hans-Karl Fischer (†)

In Ihrer gestrigen Ausgabe haben Sie geschrieben, was alles gerade verschwindet, was schon verschwunden ist und was bald verschwinden wird. Ich bin eine alte Haidhauserin und werde wahrscheinlich auch bald verschwinden. Aber dass die Monika Gruber mit ihrem Kabarett aufhört, das finde ich wirklich bedauerlich. A so a feschs Madl! Na ja, a bissal hysterisch war’s ja scho immer, sie hat sich halt nur zur Hälfte entwickeln können, mei, vielleicht liegt des an iarane Freundinnen, wo sie die Gruabarin genannt wird. Mia hat des hoid gfoin: eine Person, die sich weder ihre Grobheit noch auch ihre Sensibilität nehmen lässt, alles zu seiner Zeit, sage ich nur! Ich hab nie eine Sendung mit der Gruber Moni versäumt.

Aber dass Sie auch noch schreiben, der Batic und der Leitmayr hören auf, des is für mich schon eine Katastrophe: da schaut ma seit dreiunddreißig Jahren jeden Krimi mit ihnen an und was ist der Dank dafür, sie hörn auf einmal auf! Aber wissen Sie, was mir auffällt? Es gibt viel weniger Morde in München, ja gut, damals der Sedlmayr, seit da Batic und der Leitmayr so gut recherchieren. Da traut sich niemand mehr. Und wenn die zwei jetzt weiße Haare haben, ich weiß es, wem ich es zu verdanken habe, dass ich überhaupt weiße Haare habe bekommen dürfen, weil mich sonst wahrscheinlich schon jemand umgebracht hätte: dem Batic und dem Leitmayr.

Und dann schreiben Sie auch noch in Ihrer gestrigen Ausgabe, die Judith Rakers hört auf, das war mir immer die Liebste in der ganzen Tagesschau, das seidige Goldhaar: Da hat eine Nachricht noch so böse sein können, Sprengstoffgürtel, Drohnentote, wenn die Judith Rakers ihre Haare ganz leicht geschüttelt hat, und das hat sie machen müssen, wenn sie den nächsten Zettel genommen hat, dann war halb so böse die böse Nachricht nur. Das war ja eine Glücksfee, die Judith Rakers, und ich hab zwanzig Jahr lang geglaubt, dass sie 26 Jahre alt ist. Jetzt hat mir jemand erzählt, sie ist schon 48. Wissen Sie, aber sie hat halt dieses Hobby mit dem Gemüsezüchten, sie hat halt auch einen Garten, den hat meine Schwester auch, die wohnt in der Schönstraße beim Tierpark, da ist eine Schrebergartenkolonie, da lädt sie mich immer ein für die Sommerabende. Ich hab natürlich jetzt Schwierigkeiten, dort hinzufinden, das schreiben Sie ja auch, der Tierparkomnibus fährt jetzt nur noch alle zwanzig Minuten. Was ich mir da die Füß in den Boden gestanden hab, als ich sie neulich besuchen wollte. So gesund bin ich ja nicht mehr, und darum schreibe ich Ihnen ja, weil Sie das auch noch schrieben, dass ich zu meiner Postbank unter den S-Bahngleisen hinüber ins Werksviertel rennen muss, weil sie schon einige Zeit die Filiale am Ostbahnhof geschlossen haben.

Nur wegen meiner Tochter tut’s mir leid, weil die nach Starnberg pendelt und immer auf den S-Bahngleisen Stunden verliert. Die Pünktlichkeit wird überhaupt verschwinden, mit Ausnahme der vom Tod.

Und dann mit den elektronischen Rezepten! Das find ich gut, wie Sie in Ihrer gestrigen Ausgabe den Herrn Hirnbeiß sagen lassen: „Können Sie mir den Rezeptzettel nicht ausdrucken?“ Wahrscheinlich will er zur Erinnerung an alle früheren Arztrezepte noch einmal einen bekommen. Manche Medikamente kriegt man ja gar nicht mehr. Und dann schreiben Sie auch noch, dass es jetzt sicher ist, es wird bald keine Sommer mehr ohne Millionen von Klimatoten geben, na ja: Zum Glück leb ich ja dann nicht mehr, aber das ist jetzt das erste, womit ich gar nichts zu tun hab.

Der Autor und Lyriker Hans-Karl Fischer war langjähriges aktives Mitglied des Münchner Literaturbüros.

Den fiktiven „Leserbrief vom 17. Januar 2024 an die AZ“ schrieb er nur wenige Wochen vor seinem unerwarteten Tod am 6. März 2024.