Endlich ist es wieder da, das Guinness Buch der Rekorde, jener Wälzer mit Verrenkungen und Sammelfleiß in Superlativen, von „Größter Höhe auf Heißluftballon stehend“ (Seite 1) bis „Teuerster versteigerter Sport-Fanartikel“ (Seite 247). Dabei verweist das Buch im Titel schon auf die Zukunft: „Guinness World Records 2023“. Das bedeutet, die Verantwortlichen, wie der Globale Präsident Alistair Richards, wissen heute, 2022, schon, was morgen, 2023, an Speed-Klöppeln, Weltall-Turnen und Hochgeschwindigkeits-Kochen die Gesellschaft voranbringen wird. Dagegen ist – beispielsweise – der Versuch, einen Krieg mit diplomatischen Mitteln zu befrieden, geradezu Kinderkram.
Da wir gerade beim Kochen sind. Natürlich gibt es auch bei den Kochbüchern Superlative zu vermelden. Neben der schieren Menge der jährlichen Neuveröffentlichungen sind es Titel wie „Nachhaltig Kochen unter 1 €“ (fraglich, ob das bei den Energiepreisen gelingen wird), „Hesslers Schnelle Nummer“ (klingt irgendwie schlüpfrig, daher verständlich, dass es schon eine Fortsetzung dazu gibt: „Hesslers Schnelle Nummer 2“) oder „Weber’s Gasgrillbibel“ (Achtung: Apostroph-Alarm).
Die Grillbibel schließt bestens den Gedankenkreis zum Guinness Buch: Der jährliche Verbrauch von Rindfleisch in Europa (6,8 Millionen Tonnen) ergäbe ein Fleischpflanzerl in der Größe der Arroganz-Arena in Fröttmaning, wo die Millionärs-Zöglinge des „Mia-san-mia“-Vereins den alljährlichen Pokal erkicken, getreu dem Motto: Der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnt Bayern.
Aber ich schweife ab.
Unter all den Koch-Wahnsinns-Büchern fehlt eigentlich nur noch „Die schnellste Blitz-Küche der Welt“, wo Nudeln nicht mehr gekocht, sondern nur noch mit Tomatenmark im Blitzhacker zerschreddert werden und in Sekundenbruchteilen verzehrfertig sind.
Oder „Das sloweste Slow-Cooking-Cook-Book“. Nach guter Wildwest-Romantik wird das „Butter-Aged-Entrecote-Ribeye-Steak vom Oberpfalz Rind“ von der Tochter des Hauses unter dem Sattel ihres Westhighland-Ponys von hier bis – sagen wir – Westermoor weich geritten, sodann in Folie eingeschweißt, die die Kinder der Familie in ihrem Chemieunterricht aus Recycling Granulat selbst gezogen haben, um anschließend im Warmwasserbecken – ein Glasbehälter von Mutti mundgeblasen – über einem von der Oma handgezogenen Teelicht sieben Tage lang bis zur Grünstichigkeit mürbe zerkocht und auf dem von Vatern selbstgeschlosserten Grill zu Holzkohlewürfeln zerbrutzelt zu werden.
Ach, es warten noch so viele Kochbücher darauf, geschrieben zu werden. Ich glaube, ich fange gleich mal mit einem an. Man nehme …
Michael Berwanger