Von Ursula Sautmann

Ganze 111 Seiten braucht Werner Herzog für die Frage nach der „Zukunft der Wahrheit“. Deshalb: Keine Bange, wir müssen nicht Philosophie oder Soziologie oder gar die KI studiert haben, um das Buch mit Gewinn zu lesen. Der Essay des Regisseurs, Produzenten, Schauspielers und Schriftstellers unterhält mit Geschichten über historische Fake News, Aliens, das Schwein von Palermo und ekstatische Wahrheit, und siehe da, man beginnt, Spaß zu haben an allerlei Geschichten über Hochstapelei, Camouflage, Betrug, Größen- und Hexenwahn. Und es stellt sich die Frage: Ist der schöne Schein vielleicht interessanter als die schnöde Realität?

Mit seinen Exkursen über Ramses II,
Numa Pompilius, Nero und Potem-kin’sche Dörfer weist der Autor nicht nur nach, dass es die Wahrheit immer schon schwer hatte in der Geschichte. Er beweist, dass Fälschungen und Lügen allzu oft und nur allzu gern für bare Münze genommen wurden (und werden) und so die Geschichte verändern konnten (und können) – und das nicht immer zum Vorteil der Menschheit.

Der Essay schwankt zwischen der Faszination und dem Erschrecken vor der Fähigkeit der Menschen, sich die Verhältnisse so zurechtzubiegen, dass sie passen, zumindest aus der Sicht des jeweiligen Subjekts. Dabei nimmt Werner Herzog sich selbst nicht aus. Nicht wenige seiner Kapitel beschäftigen sich mit seinen Filmen, den von ihm selbst produzierten Fake News. Das liest sich spannend und hat in seiner mäandernden Art allerlei Unterhaltsames zu bieten. Und doch erspart uns „Die Zukunft der Wahrheit“ nicht, selber Verantwortung zu übernehmen. „Wir sind durchaus in der Lage, herauszufinden, was Lüge ist“, schreibt Herzog und gibt ein paar ganz praktische und – mündigen Bürgerinnen und Bürgern – kaum überraschende Tipps. Überraschend und damit lesenswert allerdings: Wie Herzog die Kurve kriegt zum alltäglichen Kampf mit Fake News.

Werner Herzog
Die Zukunft der Wahrheit
Hardcover, 111 Seiten
Hanser Verlag
München 2024
22 Euro