Der „Sidekick“ bezeichnet in Literatur und Theater eine wichtige Nebenfigur, die eng an der Seite des Helden steht, seine Motive und Gedanken kennt und dem Leser oder Hörer nahebringt. Oft muss sie für ihn auch Wichtiges erledigen, und manchmal, nun ja, wird sie für ihn geopfert. Horatio etwa in Shakespeares Drama „Hamlet“ könnte als Sidekick durchgehen – er überlebt allerdings als einer der wenigen das Gemetzel.

Melanie Huml als Sidekick ihres Chefs im Corona-Drama zu bezeichnen hört sich ungalant an, läge aber durchaus auf der Hand. Die bayerische Gesundheitsministerin und Ärztin hält dem Helden die Treue, egal, was dieser in großer Spur ankündigt oder verpatzt. Insidern gilt er als Zauderer, der lange wartet, bis er auf die Pauke haut – dann aber! Shakespeares Held zaudert bekanntlich auch lange, ehe er abräumt. Mitte Juli wurde aus der Bayerischen Staatskanzlei grandios versprochen, alle Bayern könnten sich kostenlos auf Covid 19 testen lassen. Das wären etwa elf Millionen. Aber schon die Einreisenden aus südöstlichen Urlaubsländern brachten das Testsystem zum Einsturz. Etwa 900 – so der Stand Mitte August – waren positiv, ohne es zu erfahren. Sie fuhren weiter, infizierten andere, wurden wochenlang nicht gewarnt, ein totales Desaster, aber so ist das nun mal in Dramen. Mit grandiosen Helden.

Der Hamlet-Vergleich mag ganz zart hinken, vor allem fehlt die Reflexion, das „Sein oder Nichtsein“. Immerhin aber haben wir eine Königin-Mutter und einen grollenden, von Berlin aus auf Rache sinnenden und tief misstrauischen Oheim. Und den Kronprinzen, der zögert, das Erbe im Reich anzutreten, das ihm die Presse seit Wochen aufzudrängen versucht.

Neben der lieben Melanie, die wie der Held selbst aus dem Frankenland stammt, rackert Ritter Joachim der Edle und putzt die Fehlpässe seines Herrn und Meisters aus – etwa, wenn es darum geht, ob man Romane im Park, auf einer Bank sitzend, lesen darf. Das Volk hat sich brav zurückgehalten. Keineswegs sind die Bayern zu Tausenden ausgerückt, um die Anordnungen des Landesherrn durch gezieltes Parkbank-Lesen zu unterlaufen. Nur ganz wenige waren renitent und lasen sogar Zeitung, womöglich gar die linke Berliner taz im Englischen Garten. Aber sonst wollte niemand den unberechenbaren Zorn des Zauderers (allmächt!) provozieren. Denn er könnte ja, er hat die Macht, erneut den Lockdown verfügen, Ausgang nur „mit triftigem Grund“! Und Justiz wie Medien stünden wieder brav an seiner Seite?

Wir sehen ein großes Ego, haben aber leider keinen wirklichen Sidekick, der (die) uns Motive und Ziele des Helden verraten könnte, wenn es denn welche gäbe. – Sind wir schon im letzten Akt, oder gibt es ein Da Capo? Hamlet haucht am Ende sein berühmtes „Der Rest ist Schweigen“ – wir können Melanie nur die Daumen drücken, dass sie bis dahin überlebt! W.H.