in der welt des fiktionalen Romans obliegt der Autorin eine enorme Autorität. Sie schafft eine komplette Welt für ihre Leser*innen, erschreibt neue Freunde und Familie. Wie eine Göttin sitzt sie an ihrem Schreibtisch und entscheidet über das Schicksal der Charaktere, wer gut ist, wer böse, wer leidet und wer sich freut. Wann das Ende kommt. Und wie. Ich als Leserin muss mich vertrauensvoll in ihre Hände geben, dass der Werdegang des Buches so verläuft wie er … muss?

Es gibt großartige Geschichtenschreiber*innen, die Plots knüpfen, die in ihrem Geschehen so absolut notwendig erscheinen, dass man keine Wendung hinterfragt. Aber letztlich sind Geschichten eben genau das: Geschichten. Und nie notwendig. Und manchmal, nach einem wunderbaren Buch, vielleicht einer ganzen Reihe, in die man emotional 100 %
investiert, enden Geschichten so, wie man sich das niemals gewünscht hätte. Und man fragt sich – wie auch im echten Leben – wieso? Mit einem entscheidenden Unterschied: In der Geschichte ist das Ende nie endgültig. Theoretisch.

Wenn also am Ende eines Buches etwas geschieht, was mir nicht gefällt, könnte ich es doch eigentlich einfach umdenken, es für mich umschreiben, entscheiden, dass es nicht so endet. Aber irgendwie gelingt mir das selten. Wenn die Autorin die Hauptfigur am Ende einen tragischen Tod sterben lässt, dann kann ich noch so unglücklich sein, ich kann sie nicht wieder zurückbringen. Die Figur ist dann unwiederbringlich weg, von uns gegangen, nicht mehr da. Wieso ist das so?

Manchmal glaube ich, dass es genau das ist, was eine gute Autorin ausmacht. Dass sie die Autorität über die Geschichte so komplett innehat, dass ich nichts hinterfragen kann. Dass also die zufällige Wahl, die eine Geschichte notwendigerweise ist, Zwang wird. Das ist sicherlich nicht mit allen fiktionalen Geschichten so. Aber wenn das nicht so ist, bin ich auch weniger in die Geschichten involviert. Und somit ist die Autorität der Autorin für mich eines der entscheidendsten Qualitätskriterien eines Romans.

Marie Türcke