Und mit dem Sommer, so heißt es, kommen die Wölfe (und wo der Wolf heult, ist der Luchs nicht weit). Jetzt sogar Bissingen, frommes Schwabenland! Dort wurde er Anfang Mai fotografiert, der Wolf, nur 99 km vor München, Luftlinie. Der Bürgermeister ließ, während man hier noch über den zweiten „Wiesn-Verzicht“ palaverte, die Zäune höher ziehen. Ausgerechnet Bissingen – was für ein Omen! Das kann doch kein Zufall sein. Aber der Wolf kommt, wohin er will. Und wann er will. Die Sommer sind ihm egal, denn der Sommer ist nicht mehr der alte!

Das Konzept „Sommer“, wer auch immer es entworfen hat, taugt nichts mehr. Die klassische, von Poeten und Komponisten besungene europäische Idee der vier Jahreszeiten, des Schneewinters, Lustfrühlings usw., vorbei!

Vor etwa 45 Jahren konnte der Schwabinger Barde Konstantin Wecker noch leichthin in die Tasten hämmern und schmettern „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ – eine wahre Ohrwurmhymne an diese scheinbar wunderschöne Jahreszeit: Denn dann wisse er, dass das „seine Zeit“ sei, und die Welt dann „wie ein Weib“ sei, voller Lust etc. –

Hey, solln das heißen, Alter? Heute würde sich schon der Computer sträuben, so was überhaupt auch nur zu denken! Löschtaste, sofort! Und: Was haben Sie eigentlich für ein, äh, Sommerbild, Herr W.? Immerhin, in Zeile 2 heißt es „und der Himmel violett“ – eine Andeutung von Gewitter, Düsternis, Untergang? Unklar – typisch Dichter, aber zurück zum Sommer.

Dieser inbrünstig Angedichtete lässt unsere Wälder vertrocknen, die Polkappen schmelzen, das Mineralwasser versiegen! Die letzten bayerischen Gletscher haben schon ihre eisigen Zungen verloren, nur der Höllentalferner (!) unter der Zugspitze, so lesen wir, mag durch seine besondere Lage noch ein paar Jahre überleben. Nicht mehr lange und „Karlsruhe“ wird den Sommer aus Gesundheitsgründen verbieten. Grundrechte, Art 2 Abs II S.1 Grundgesetz! Im April, der übrigens der kälteste war seit 40 Jahren, hat das Bundesverfassungsgericht in einem ersten Schritt „verstärkten Klimaschutz sofort“ gefordert, um die Jugend zu schützen. Die Alten sollen sich keine lustigen Couchjahre auf Kosten der später Geborenen mehr leisten, die „Gnade der späten Geburt“, die der Philosoph Helmut Kohl einst erkannt hat, wandelt sich längst in ihr Gegenteil. Die Generation der Millenials und noch später Geborene werden für unser heißes Leben büßen müssen. „Weh mir, wo nehm ich, wenn es Winter ist, die Blumen“ – Deine alten Verse stimmen nicht mehr, Friedrich! Die Winter, sie sind zahnlos geworden, die Sommer brutal! Er konnte es nicht ahnen, Hölderlin, denn seine Zeilen formulierte er gegen Ende der sog. „Kleinen Eiszeit“ zwischen 1400 und 1900.

Der o. g. Münchner Liedermacher, ein Sommergeborener, hat übrigens am 1. Juni sein 75. Lebensjahr begonnen.

W.H.