Eva Leidmanns Romane werden im Mai 1933 von den Nazis verbrannt
Von Ina Kuegler
Im Lichthof der Münchner Uni beginnt der Terrorakt – auf dem Königsplatz endet das barbarische Spektakel: Bücher mit „volkszersetzendem Schrifttum“ werden am 10. Mai 1933 von den Nazis verbrannt. Viele der verbotenen Werke sind bis heute weitgehend unbekannt, so auch die Bücher der aus Mühldorf am Inn stammenden Schriftstellerin Eva Leidmann. Zwei ihrer autobiographischen Romane spielen überwiegend in München oder Dachau, bevorzugt in Wirtshäusern. Diese Werke müssen dem NS-Staat missfallen – schließlich passen sie so gar nicht zu der von den Nazis geforderten Idealisierung von Bauerntum, Volksgemeinschaft sowie der Blut- und Bodenideologie.
Eva Leidmann ist eine Autorin, „von der man fast nichts weiß“ – so beschreibt es Volker Weidermann in seinem 2008 erschienenen Standard-Werk „Das Buch der verbrannten Bücher“. Über Leidmann ist bis dato wirklich nichts oder wenig bekannt. Schon ihre Lebensdaten, ihren Geburtsort oder ihr Geburtsjahr zu eruieren, erweist sich als äußerst schwierig. Da sie und ihre Geschwister ohne „Abkömmlinge“ (so heißt es in den Archiven) geblieben sind, gibt es auch keine Zeitzeugen aus dem familiären Umfeld.
Geboren wird Eva Leidmann am 23. Juli 1888 in Burghausen als Tochter der Theresia Zurzlmeier, erst vier Wochen später bekennt sich Georg Leidmann als Vater des Kindes. Eva Maria Leidmann hat drei jüngere Geschwister, verbringt ihre Kindheit und Jugend in Mühldorf, wo die Eltern eine kleine Landbrauerei mit Ökonomie und Gasthaus haben. Ab 1899 führt der Vater die Gastwirtschaft „Wittelsbach“ am Mühldorfer Stadtplatz. „In diesem Gasthaus bin ich aufgewachsen; aber nicht als holdes Wirtstöchterlein. Es hieß kräftig mitarbeiten“, so die Schriftstellerin gut 30 Jahre später.
Eva Leidmann kellnert immer wieder in ihrem Leben – nicht nur als Jugendliche von 15 Jahren beim Vater in Mühldorf, sondern auch in München, wo sie seit 1908 lebt. Zwei Jahre zuvor hat sie den Neu-Öttinger Bierbrauer Franz Mühlberger geheiratet. „Vor dem Schlafengehen hab ich auf meinen Bierblock die ersten Aufzeichnungen für meine Bücher geschrieben, freilich nicht ahnend, dass Schreiben einmal mein Beruf werden würde.“ Die „ersten Aufzeichnungen“ fließen ein in ihre stark autobiographischen Romane „Auch meine Mutter freute sich nicht“ (1932) und „Wie man sich bettet“ (1933). Diese Werke spielen überwiegend in München, Dachau und Umgebung.
Der erste der beiden Romane mit dem Untertitel „Die Fehltritte eines bayerischen Mädchens“ beginnt mit den Worten „Als ich zur Welt kam, freute sich niemand…. Meine Mutter und ich lagen in einer finsteren Kammer, das kaum ein Luftloch hatte.“ Das Mädchen in dem Roman wächst ohne Vater („Ein Mann, der bei uns daheim in Bayern Alimente zahlt, wird umbarmherzig zum Trottel gestempelt.“) und mit vier Geschwistern auf, muss bald den Haushalt führen, wird Dienstmädchen bei einem Schulinspektor, kommt als „Dummchen vom Lande“ nach München, wird Modell bei einem Maler, später Serviermädchen in einem Weinlokal, gerät ins Umfeld von Schauspielern, das sie zum Schreiben inspiriert, steht schließlich selbst auf der Bühne.
Dieses etwas holprige, von Brüchen geprägte Werk erfährt seine Fortsetzung in Leidmanns zweitem Roman „Wie man sich bettet“ – ein Buch, das auch heute noch lesenswert ist, schildert es doch eindringlich das Leben in einem Münchner Wirtshaus nach dem Ersten Weltkrieg, ganz besonders aber das Schicksal der Kellnerin Fanny, das so gar nicht dem Frauenbild der Nationalsozialisten entspricht. Fanny kommt in Leidmanns Roman als Mädchen vom Lande in die Münchner Gastwirtschaft „Gambrinus“ (die hat es in der Nymphenburger Str. 25 wirklich gegeben), arbeitet sich vom Biermädel zur Kassiererin nach oben, hat verschiedene Männerbekanntschaften, wird schwanger, treibt ab, trinkt, leidet an Depressionen, bekommt ein Kind von einem Zirkus-Clown, muss das Mädchen als Kostkind abgeben, schläft mit wildfremden Männern, um das Geld für die Koststelle aufzubringen. Fanny landet schließlich in Hamburg in einem Nachtlokal.
Eva Leidmann geht – wie ihre Romanfigur – tatsächlich 1917 nach Hamburg, lässt sich dort scheiden, nimmt wieder ihren Mädchennamen an. Sie schreibt (harmlose) Werke, so etwa den Roman „Ein Mädchen geht an Land“. Bis zur Bücherverbrennung arbeitet Eva Leidmann in Hamburg als Journalistin. 1934 geht sie nach Berlin, und zwar zum Film. Sie verfasst insgesamt acht Filmdrehbücher, überwiegend für die Ufa. Zu den in Erinnerung gebliebenen Werken zählt das Script zum Film „Land der Liebe“, das Leidmann mit dem „Halbjuden“ (so der Nazi-Jargon) Reinhold Schünzel schreibt. Propagandaminister Goebbels brandmarkt 1937 den Streifen in seinem Tagebuch als „ganz unausstehlich“ und „typische Judenmache“. Am 6. Februar 1938 stirbt Eva Leidmann an einer Blinddarmentzündung.
An die Schriftstellerin aus Mühldorf erinnert heute nur noch die „Edition Phoenix“ mit ihren neuaufgelegten Büchern, die 1933 den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. 2001 wird am Frankfurter Römer eine Bronzetafel enthüllt: Zwischen den Namen von Max Brod und Erich Maria Remarque findet sich auch der von Eva Leidmann. Die Tafel erinnert an die Frankfurter Bücherverbrennung vom Mai 1933.
PS.: Am Mittwoch, 10. Mai 2017 zwischen 10 und 18 Uhr wird auf dem Münchner Königsplatz wieder die öffentliche Gedenkveranstaltung stattfinden. Weitere Infos und Anmeldung unter 089-157 32 19.
Eine weitere Lesung ist für den Odeonsplatz vorgesehen (12 – 14 Uhr). Anmeldung bei der Mohr-Villa 089-324 32 64.