Alma Larsen kam 1967 nach München und ist seitdem nicht mehr wegzudenken aus der Münchner Literaturszene. In Berlin, wo sie aufwuchs, brachte sie Wilhelm Busch zur Lyrik. Buschs fröhlich-boshafte Gedichte haben in ihr eine anarchische Kraft erzeugt, die sie später in die Frauenbewegung und in ihre zahlreichen Engagements hineintragen konnte.

So hat sie „Schamrock – Festival der Dichterinnen“ mitgegründet und war jahrelang Fachberaterin der Künstlerinnengemeinschaft GEDOK.

Neben der Lyrik und der Kurzprosa ist sie auch durch Fotografien bekannt geworden, ein Metier, zu dem sie zufällig gekommen war, das sie aber – im Gegensatz zur Lyrik – ernähren konnte. Darüber hinaus ermöglichte ihr diese Arbeit einen Austausch mit anderen Künstler*innen, aus dem sich lyrische Performances ergaben, lange bevor es Poetry Slams gab.

Im Oktober 2022 veröffentlichte Larsen ihren neuesten Gedichtband „Augenblick nach innen“, aus dem wir hier Kostproben geben.

SOLL & HABEN

die tageshaut muss runter
soll
ich einen guten abend
haben
folgen wünsche:
kämst jetzt du und
hieltest eine hand-
gewebte hülle mir bereit
in ihrer wärme zu
verweilen
auszuheilen
löcher die der tag riss

VIELSEITIG

die nähe ist ein schleierhaft
gewebe unfassbarer zeit
in krisenfällen alarmiert sie
körper vor zerrissenheit

die nähe überzieht die haut
beim gehen mit frischen lüften
im sitzen wenn es wärmer wird
prüft sie den abstand der hüften

wenn wünsche die haut berühren
mit der rechten hand, der kühlen
absicht weckt den widerstand und
nähe durchschaut statt zu fühlen

mit der gleichen atemwelle
trifft die nähe ein versprechen
hüllen sich zwei körper nahtlos
darf man sie nicht unterbrechen

Alma Larsen:
Augenblick nach innen
Gedichte
113 Seiten
Spielberg Verlag, 2022
10,90 Euro
ISBN: 978-3-95452-762-5