Von Ursula Sautmann
NIP heißen die Chips, die den Menschen ins Gehirn gepflanzt werden. Sie können geschädigte Nervenbahnen ersetzen und damit die Folgen von Schusswunden und Rückenmarksverletzungen heilen, erlauben aber eben auch den Zugriff von außen auf das Gehirn des Probanden. Sie können Erinnerungen an traumatische Erlebnisse löschen, aber auch Befehle übertragen und den Menschen ihren freien Willen nehmen. Das Folgemodell, der NINK, ist noch vielfältiger und genauer zu nutzen. Und die Menschen haben noch nicht einmal etwas gegen diese Chips. Im Gegenteil, erlauben sie ihnen doch, eine neue Sprache nicht erlernen zu müssen, sondern umgehend parat zu haben. Kurz: Sie machen vieles einfacher und erträglicher.
Das Szenario, das Anne Freytag in ihrem soeben erschienenen Roman „Mind Gap“ entwickelt, spielt, wie auch ihr vorheriger Thriller „Aus schwarzem Wasser“, im Milieu von Geheimdiensten, Politikern, Journalisten. Die Münchner Autorin setzt nicht nur inhaltlich, sondern auch formal auf Bewährtes: Sie greift Themen auf, die aktuell sind; ihre Figuren sind jung und oft weiblich, sie haben keine Geheimnisse vor den Leser*innen, plaudern Gefühle und Gedanken aus und ziehen sie so in die Handlung hinein; die Kapitel sind kurz und enden oft mit einem Cliffhanger; Perspektiven und Orte wechseln, und Liebe spielt auch eine Rolle. Anne Freytag versteht es, die Leser*innen zu fesseln. Sie beherrscht ihr Handwerk, und so ist es denn auch nur zu verständlich, dass sie Workshops zum Thema „Kreatives Schreiben“ anbietet. Sie wurde mehrfach nominiert für Preise aus dem Bereich der Jungendliteratur und gewann zahlreiche Auszeichnungen, 2018 erhielt sie den Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur für „Nicht weg und nicht da“, wo es um den Freitod des Bruders geht. Bereits ihr erster Jungendroman, „Mein bester letzter Sommer“, erschienen 2016 bei Heyne, wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mit „Mind Gap“ bietet sie erneut Spannung, Unterhaltung und Zugang zu einem brandaktuellen Thema.
Anne Freytag:
Mind Gap
Roman, 381 Seiten
dtv, München, 2022
16,95 Euro
ISBN: 978-3-423-44584-9