Von Höflichkeitsdrückern, Anstandstripplern und Nachstandlern
Von Ursula Sautmann
Benedikt Feiten war noch Schüler, als er mit dem Texten begann, Cello und Trompete waren da bereits seine ständigen Begleiter, und gemalt und gezeichnet hat er auch. Heute, keine 40 Jahre alt, gibt es bereits eine kleine Liste an Wettbewerben, die er gewonnen hat, mit Texten, die veröffentlicht sind. So richtig glauben an eine Zukunft als Autor mag er immer noch nicht, „es gibt so viel Literatur, zu hoffen, dass jemand liest, was man schreibt, ist ein stranges Anliegen“, sagt er.
Der erste Erfolg war ein Literaturstipendium der Stadt München für das Romanprojekt „35 Schritte“, das war 2005. Die Teilnahme an der Bayerischen Akademie des Schreibens brachte einen Text hervor, der noch in der Schublade liegt, es geht um Erdgasgewinnung in Australien, in einem Gebiet, das den Aborigines gehört, und was das mit einem Angestellten in der Kommunikationsabteilung eines Industrieversicherers macht. Parallel dazu entstand „Hubsi Dax. Eine Wirtshauslegende“ (2016). Thema ist die Gentrifizierung, die Vertreibung der langjährigen Mieter aus Wohnungen in Giesing zugunsten eines Luxusobjekts. Es folgte „So oder so ist das Leben“ (2019): Anton Lobmeier, ein langhaariger Gitarrenlehrer, der sein Sechzger-Trikot nicht aus Solidarität zu den Löwen, sondern zu einem „abstrakteren Verbund von Verlierern“ trägt, begibt sich auf die Suche nach echten Beziehungen. Beide Romane sind bei Voland & Quist erschienen. Ganz nebenbei entstand noch (2015) die Doktorarbeit über Musik und Narration bei Jim Jarmusch als Abschluss des Studiums der Amerikanischen Literaturgeschichte. Und der nächste Roman, „Leiden Centraal“, handelt von einer forensischen Informatikerin, die Unmengen fremder Erinnerungen analysiert. Er soll im Februar erscheinen.
Man kann nun nicht eindeutig und uneingeschränkt behaupten, Benedikt Feiten hätte sich dem Schreiben verschrieben. Sicher, es scheint die Haupttätigkeit zu sein, schließlich geht er auch noch in die Arbeit, 30 Stunden in der Woche, als Redakteur bei „Gasteig“. Drei Stunden bleiben ihm da täglich für produktive Arbeit, wie er es nennt, und die umfasst nun einmal nicht nur das Schreiben, sondern auch noch das Musizieren, mal mit der Trompete, mal (meist und besser) auf dem Cello, „in unterschiedlichen Projekten“, wie er es formuliert. Er erzählt von Musikkabarett, Hip Hop, seine Rolle sei da eher eine unterstützende, der Impuls gehe von anderen aus, während „im Schreiben so viel verknüpft [sei] mit einem selber“. Im Musizieren und Schreiben kann er Gemeinsames entdecken: Balance, Rhythmik, Komposition, Spannungsaufbau und Atmosphäre. Und ja, in der Musik gibt es gerade doch auch ein eigenes Projekt, „ich arbeite noch dran, was das zusammenhält“. Also klar ist: beides will Benedikt Feiten weiter verfolgen. Eine Lesung mit Musik aus „Hubsi Dax“ musste coronabedingt leider ausfallen, aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
Im Sommer war der Autor Stipendiat der Villa Concordia in Bamberg, „da war ich Zeitmillionär“, sagt er und berichtet begeistert über den Austausch mit anderen Autor*innen und die Anregungen, die daraus entstehen. So wird es wohl auch in Zukunft ein breit gefächertes Themenspektrum in den Büchern des Autors geben. Nach dem roten Faden muss man dennoch weder in „Hubsi Dax“ noch in „So oder so ist das Leben“ lange suchen. Es geht um Selbstfindung. Seine Protagonisten sind auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, und dabei stoßen sie auf außergewöhnliche Menschen und beweisen Neugier, Mut und Phantasie. Benedikt Feiten schreibt über Menschen und ihre Beziehungen liebevoll, treffsicher und mit Sinn für Humor. Höflichkeitsdrücker, Anstandstrippler und Nachstandler mögen die Leser*innen sich selber erlesen.
Wenn Benedikt Feiten schreiben will, geht er gern in eine Ausstellung. Lesen lenkt ihn da eher ab. Auch wenn er sich natürlich Zeit für Bücher nimmt, aktuell sind es gerade vier auf einmal: „4321“ von Paul Auster, „Erinnerungen eines Mädchens“ von Annie Ernaux, „Asterios Polyp“ von David Mazzucchelli und „The drop“ von Thad Ziolkowski. Eine Scheu vor Diversität ist da nicht zu erkennen. Das, so viel ist sicher, wird auch der neue Roman, „Leiden Centraal“, beweisen.
In unserer Serie „Jung und schreibend“, in der wir junge Münchner Autor*innen vorstellen, porträtierten wir bisher Lisa Jeschke, Leander Steinkopf, Daniel Bayerstorfer und Katharina Adler.