[LiSe 03/25] Kurzgeschichte: Frühling. Ein Konzertbericht.

Von Carina de Jonge

Die Konzertreihe gibt es schon lange. Manche Kenner behaupten, seit neun Milliarden Jahren. Selbstverständlich sind es immer andere Musizierende. Und auch die Zuschauer wechseln. Was aber bleibt, ist die allgemeine Beliebtheit der Veranstaltung. Unsere Reporterin berichtet. Den Auftakt besorgen die Vögel, angefangen mit dem Rotkehlchen. Sein hoher, zarter Gesang ist für ein Eröffnungslied ziemlich anspruchsvoll und manchen ist es vor dem ersten Kaffee noch zu viel. Bei den ersten Tönen knallen sie das Fenster zu. Dadurch wird der Zilpzalp geweckt. (mehr …)

[LiSe 02/25] Kurzgeschichte: Guten Morgen!

Von Sarah Neumann

Sie erwischte sich dabei, wie sie laut vor sich hin schimpfte. Sie war gerade erst aufgestanden und in die Küche gegangen und schon ärgerte sie sich über ihn. Wie er immer das Radio aussteckte, sodass sie erst warten musste, bis es den Sender wieder gefunden hatte und wie er immer die Gläser der Kinder wegräumte, aber nie wieder frische auf den Tisch stellte. Nein, das musste natürlich sie machen! Morgens um 5:30 Uhr, während er oben im Bett lag und noch schlafen durfte. Sie stand sicher nicht freiwillig so früh auf, würde auch lieber noch weiterschlafen. (mehr …)

[LiSe 01/25] Kurzgeschichte: Die Witwe Erna Masuch

Von Ulrich Braun

Lötzen, 10. November 1938 – Dem Menschenauflauf am Markt würde Günter ausweichen. Sein Schulweg sollte deshalb durch die Boyenstraße führen, wo sich kalter Rauch aus den Grundmauern der Synagoge kräuselte. Ein Schutzmann hielt Brandwache und ein Fahrrad lehnte am schmiedeeisernen Zaun. Zwei Frauen steckten die Köpfe zusammen. In dieser Minute suchte der Fotograf der Lötzener Zeitung die richtige Position für seine Kamera. (mehr …)

[LiSe 10/24] Kurzgeschichte: Leserbrief an die AZ

Von Hans-Karl Fischer (†)

In Ihrer gestrigen Ausgabe haben Sie geschrieben, was alles gerade verschwindet, was schon verschwunden ist und was bald verschwinden wird. Ich bin eine alte Haidhauserin und werde wahrscheinlich auch bald verschwinden. Aber dass die Monika Gruber mit ihrem Kabarett aufhört, das finde ich wirklich bedauerlich. A so a feschs Madl! Na ja, a bissal hysterisch war’s ja scho immer, sie hat sich halt nur zur Hälfte entwickeln können, mei, vielleicht liegt des an iarane Freundinnen, wo sie die Gruabarin genannt wird. Mia hat des hoid gfoin: eine Person, die sich weder ihre Grobheit noch auch ihre Sensibilität nehmen lässt, alles zu seiner Zeit, sage ich nur! Ich hab nie eine Sendung mit der Gruber Moni versäumt. (mehr …)

[LiSe 09/24] Kurzgeschichte: Im Nebenraum

Von Walter Grassl

Na ja, wissen Sie, ich bin ja wirklich schon sehr lang Kellner, und da erlebt man so manches. Ich war schon in etwas besseren Läden als im Knödelwirt. Aber was im Knödelwirt wirklich immer wieder interessant ist, sind die Stammtische. Da sind etliche bei uns, denn erstens haben wir einen Nebenraum, zweitens zivile Preise. Um was es bei den Stammtischen genau geht, kriegst du ja erst nach und nach mit. Da sind jeden ersten Montag des Monats die Märklin-Freunde. Da wird gefachsimpelt, ob die, was weiß ich, 52-er oder die 185-er Lok besser ist. Am ersten Mittwoch die Fans der Kanarienvögel, am zweiten Dienstag die Fliegenfischer und am dritten Dienstag die Sechskanter. Die beschäftigen sich mit allen Werkzeugen, Muttern oder Schrauben, die sechs Kanten haben. Na ja, jeden interessiert halt was anderes. (mehr …)