[LiSe 04/23] Kolumne: Wohin die Wörter gehen

Irgendwann macht man mit. Ein schlimmer Satz. Einer mit historischen Ausmaßen. Also, noch einmal von vorne: Irgendwann mache ich mit. Aufatmen. Schultern lockern. Neuer Kontext (weg vom unangenehmen Thema der ideologischen Verführbarkeit, hin zu Freizeit-Banalitäten wie: Irgendwann bin ich auch mit von der Partie). Cool bleiben. Geht ja nur (?) um Sprachgewohnheiten und da mache ich, vergeht nur etwas Zeit, einfach mit, und ich glaube tatsächlich, dass das fast allen so geht. Sorry. Irgendwann macht man mit. Würde sich sonst sprachlich schnell ein bisschen wie hinterm Mond aufführen, bisschen ins Abseits schießen also, und haben Sie das bemerkt? Haben Sie das „tatsächlich“ bemerkt? „Und ich glaube tatsächlich …“. War nur ein paar Zeilen drüber … Wenn Sie nochmal hoch gehen, finden Sie es. (mehr …)

[LiSe 03/23] Kolumne: Ein Mensch, ein Bild …

Das ist schon ein äußerst attraktiver Kunstgriff, wenn Autor*innen Kunstwerke, Gemälde … ins Zentrum ihrer Bücher rücken. Das hat etwas Retardierendes, fast Elegantes. Und es liegt ja nahe, Bilder, Skulpturen, Wandreliefs auch literarisch wirken zu lassen, sie als sehr spezielle, etwas sperrige, oft schwergewichtige, hochkantige oder querhängende Helden wie Heldinnen mittig in den Text zu platzieren. Denn, stehen wir den Kunstwerken dann einmal in einem von allem gelösten Moment Auge in Augen gegenüber …, was tun die dann anderes, als zu sprechen und zu wirken. (mehr …)

[LiSe 02/23] Kolumne: 99 … 66

Das könnte den vitalen Redefluss natürlich etwas stören. Weil meistens sind sie ja so richtig in Fahrt, wenn sie irgendwo in ihrem engagierten kleinen oder größeren, privaten oder öffentlichen Vortrag diese „air quotes“ einbauen, diese aktiv agierenden Fingerhasenohren. Da werden also flugs Zeige- und Mittelfinger beider Hände nach oben ausgestreckt (den Daumen nach innen anlegen, sonst wird’s zum Schwur), um sie dann ein wenig neckisch, gleichzeitig und vor allem ziemlich schnell zweimal bis zum zweiten oberen Fingerglied abzuknicken. (mehr …)

[LiSe 01/23] Kolumne: Wie viel, bitte?

Es kommt nicht oft vor, dass es die Literatur in die Abendnachrichten des Fernsehens schafft. Der spektakuläre Ankauf des Rilke-Nachlasses durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach war wieder einmal einer dieser seltenen Gelegenheiten. Wie zu erfahren war, habe ein Konsortium aus Bund, Land und privaten Geldgebern einen erklecklichen Betrag zusammengetragen, um den Kauf des Nachlasses finanzieren zu können. Über die Kaufsumme (ein zweistelliger Millionenbetrag, wie gemunkelt wird) habe man Stillschweigen vereinbart. Warum eigentlich Stillschweigen? Um nicht bekanntgeben zu müssen, wie viel der Promi-Anwalt abgegriffen hat? Oder – wie die Archivdirektorin Sandra Richter nuschelte – um den Preis für zukünftige Ankäufe nicht von vorneherein in die Höhe zu treiben? (mehr …)

[LiSe 12/22] Kolumne: Weihnachtlicher Einkaufswahn

Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine rege Zeit für den Buchhandel. Neuerscheinungen, Neuauflagen, Buchempfehlungen, Schaufensterdekoration, Geschenkpapier. Alles, damit bei den glücklich Beschenkten die kleinen, schon von Weitem als Buch zu identifizierenden Pakete unterm Baum liegen. (mehr …)

[LiSe 11/22] Kolumne: Artgerechte Haltung

Barbara A. aus Giesing liebt Kammerkonzerte. Und Lesungen unbekannter Autor*innen. Ihr Mann mag beides nicht. In früheren Jahren begleitete er sie um des häuslichen Friedens willen, das ist Jahrzehnte her. Barbara A. kann sich nicht erinnern, wann sie ihren Mann zuletzt zu einer Kulturveranstaltung bewegen konnte, und sei das Programm noch so leicht verdaulich gewesen. (mehr …)