[LiSe 01/24] Kolumne: Der Große Kultursonntag

Kennen Sie den Unterschied zwischen Milch und Vollmilch? Nein? Also: Vollmilch – das klingt doch schon wesentlich bedeutender als nur Milch, oder? Dabei ist es genau umgekehrt. Bei Vollmilch wird – wie es im Amtsdeutsch heißt – „der Fettgehalt in der Molkerei eingestellt“ – bei 3,5 %. Milch – also die „nur“-Milch – hat aber einen höheren Fettgehalt. Ein klassisches Beispiel für Bezeichnungen, die einen Mehrwert suggerieren wollen, wo gar keiner ist. Derer gibt es viele: Miserable Leistungen nennt man „suboptimal“, süße Joghurt-Pampe „ist so wertvoll wie ein kleines Steak“ (wobei die Frage wäre, was an einem Steak wertvoll sein soll), Schokoriegel für Kinder haben eine „Extraportion Milch“. (mehr …)

[LiSe 12/23] Kolumne „Das ist meine Meinung“

Ein Satz mit einem Hopser

Haben Sie den Satz auch so satt? „Das ist meine Meinung.“ Der Punkt wird nicht mitgesprochen, aber die vier Worte davor werden so betont, dass man den Sprecher oder die Sprecherin aufstampfen sieht am Satzende. Würde mir der Satz nicht so große Übelkeit verursachen, müsste ich schallend lachen, denn vor meinem geistigen Auge wird der Punkt nicht gestampft, sondern gehopst, wie es die Mielke-Schwestern in Loriots „Pappa ante portas“ tun. (mehr …)

[LiSe 11/23] Kolumne: Hastegehört?

Fast jeder hat etwas auf den Ohren. Sind wir unterwegs, dann sind es unsere Kopfhörer auch. Kopfhörer schaffen unendlich viele voneinander isolierte Akustikräume, füllen die mit Musik, mit Worten, die absolut nichts mit der Geräuschewelt außerhalb zu tun haben. Ein kleines Accessoire, links und rechts an uns angebracht, gibt zu verstehen: „Also, ich höre gerade nichts. Also, hören tu ich schon was, aber eben nur das, was aus den Stöpseln kommt.“ Was genau das ist, bleibt ein Geheimnis, und so hat jeder sein Geheimnis. Außer …, die Kopfhörer sind Schrott. Schrottkopfhörer lassen mithören: blecherne Bass-Rhythmen, die wirklich sehr, sehr basic klingen. (mehr …)

[LiSe 10/23] Kolumne: Auf der Höhe der Zeit

Es wird sich ein bisschen viel gewundert. Manche reiben sich auch erstaunt die Augen. Sind verblüfft. Kriegen gar Herzklopfen. Und wie das eben so ist mit allem, was inflationär betont, hervorgehoben, benannt wird: Erst kann man es nicht mehr hören, und dann überhört man es einfach. Genervt schaltet man insgesamt ab ob der Phrasendrescherei oder – ein Zeichen des Goodwills – sie/er lässt ein paar Sätze verstreichen …, und vielleicht lohnt es sich ja dann, den Aufmerksamkeitspegel peu à peu wieder langsam nach oben steigen zu lassen. (mehr …)

[LiSe 09/23] Kolumne: Matrjoschka

Es war einmal ein Kulturzentrum, das stand an einem garstigen Steig. Weil es aber so protzig und klobig war, hat es nie jemand so richtig liebgewonnen. Nach kaum 40 Jahren war es vom ständigen Benutzen und Bespielen so schwach geworden, dass die Stadtmütter und -väter beschlossen, es solle eine Kur bekommen. Sie legten einen Zeitplan für die Reha fest. Und so flohen die ansässigen Institutionen aus dem Kulturzentrum, eine jede in eine andere Richtung. (mehr …)