Nachts im Literaturhaus … Ich hab das echt mal gemacht. Hat keiner bemerkt, zumal auf den Tickets ja auch nur steht, wann so eine Veranstaltung beginnt. Wann man da wieder gehen muss, steht da nicht. Und also bin ich geblieben. Blieb einfach sitzen. Unauffällig. Am Rand. Hatte mich extra schwarz angezogen, so schwarz wie der Stuhl (und schwarz geht ja immer in der Kultur). Hab mich nicht gerührt, bis die Dämmerung mich verschluckte und ich zum Mobiliar wurde. Ich war nicht existent für die Techniker, die noch bisschen vor sich rumkabelten. War nicht mehr da, für die Praktikant*innen, die müd und stumm Liegengebliebenes versorgten.
Vorne bei der Bühne verabredeten sich, schon in Mänteln, das Leitungsteam mit dem Autor, dem Schauspieler, der Übersetzerin zum Gläschen Wein („Wo?“ „Hatten wir Ihnen das nicht geschickt?“ „Nein, ich glaub nicht. “ „Kann man da eigentlich auch rauchen?“ „Rauchen!? Was?! Um Gottes Willen, das geht in Deutschland gar nicht mehr.“ „Oh. Entschuldigen Sie, davon hatte ich keine Ahnung …“). Ich weiß also jetzt, wo man danach zusammen hingeht. Behalt das aber natürlich für mich. War ja nicht hier, um zu spionieren. Und dann kam die Dunkelheit. Und die Ruhe. Ganz schön viel Ruhe. Nur die Glocken von der Theatinerkirche schlugen paarmal. Also, mindestens alle Viertelstunde. Das Treppenhaus hallte bisschen vor sich hin. Der Thomas-Mann-Bär schnaufte mal so richtig durch, so dass sich sein Glaskasten von innen, direkt vor seiner Schnauze, beschlug. Das fand ich schon krass. Überhaupt machte sich von da an eine eigenartige Stimmung breit, kroch hoch durchs Treppenhaus mit den dunklen Holzstufen, die knarrten, ohne dass irgendeine Menschenseele sie berührt hätte. Oder waren da die verärgerten Geister der Schriftsteller*innen unterwegs, die man bisher versäumt hatte, ins Münchner Literaturhaus einzuladen, die sich übersehen fühlten, verachtet wie die 13. Fee.
Die Idee zur Übernachtung im Literaturhaus ist mir gekommen, als bei einer Veranstaltung, bei der ich per Stream dabei war, am Ende vergessen worden ist, die Kamera auszuschalten (oder hab ich das geträumt?). Der Saal leerte sich, drei Freundinnen hielten in der vorletzten Reihe noch ein kleines Schwätzchen (und ahnten wohl kaum, dass ich da mithörte), bis auch die gingen. Alles unter meiner Beobachtung. Dann war ich allein mit dem Raum. Ich starrte stundenlang in ihn hinein und hoffe bis heute einfach, dass er das gespürt hat.
DiKa