Von Marie Türcke
Wer schon mal aufmerksam durch die Clemensstraße spaziert ist, dem ist sie vielleicht aufgefallen: die Gedenktafel für B. Traven.
Was haben die Namen Ret Marut, Otto Feige, Traven Torsvan, Hal Croves und B. Traven gemeinsam? Und wie hängen sie mit der anarchistischen Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“, mit der Münchner Räterepublik, mit Hollywood oder Mexiko, bzw. mit der Clemensstraße 84 zusammen?
Es ist eines der großen ungelösten Rätsel der Literaturwelt – wer war B. Traven? Mit über 30 Millionen verkauften Büchern ist er einer der meistgelesenen Autoren des letzten Jahrhunderts. Die Verfilmung seines Romans „Der Schatz der Sierra Madre“ mit Humphrey Bogart, vom Regisseur John Huston umgesetzt, gewann drei Oskars. B. Traven soll unter dem Pseudonym Hal Croves als technischer Berater am Set mitgearbeitet haben.
Travens Geburtsjahr und -ort sind bis heute umstritten, erste sichere Erkenntnisse – post mortem von seiner Frau Rosa Elena Lujan bestätigt – gab es zu seiner Existenz unter dem Pseudonym Ret Marut. Der Schauspieler Marut ar-
beitete an diversen Bühnen in Deutsch-
land, bevor er 1915 in die Clemensstra-ße 84 in Schwabing umsiedelte. Dort begann er 1917 in Selbstredaktion die anarchistische Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ zu veröffentlichen. Während der knapp vier Wochen dauernden Münchner Räterepublik (April-Mai 1919) wurde er Leiter der Presseabteilung des Zentralrats. Nach dem Scheitern der Räterepublik entkam er knapp einer Verurteilung zum Tode und lebte einige Jahre im Untergrund. In seinem Tagebuch schrieb er: „The Bavarian of Munich is dead.“ Recherchen der BBC legten nahe, dass er in dieser Zeit unter dem Namen Otto Feige – womöglich auch sein Geburtsname – versuchte, über England und Kanada in die USA einzureisen. Erfolglos.
1924 landete dann ein gewisser Traven Torsvan in Mexiko, auch immer wieder namentlich erwähnt als Berick oder Berwick Torsvan. 1933 schickte er englische Manuskripte der bereits auf Deutsch erschienenen Romane „Das Totenschiff“ und „Der Schatz des Sierra Madre“ an einen Verleger in New York, der Beginn seiner Bekanntheit im englischsprachigen Raum. Zu Verhandlungen mit John Huston über die Verfilmung des letzteren tauchte 1946 in New York aber dann nicht Torsvan auf, sondern ein gewisser Hal Croves, mit einer Vollmacht des Autors. 1957 heiratete Hal Croves dann Rosa Elena Lujan, die erst nach dem Tod ihres Mannes B. Traven am 26. März 1969 in Mexiko-City ein wenig Licht in den Mythos um ihren Ehemann brachte, jedoch bei Weitem nicht genug.
Es gab noch weitere Pseudonyme und Werke, die B. Traven zugeschrieben wurden; gänzlich klären ließ sich das nie. Was aber alle seine mehr oder weniger bestätigten Identitäten gemeinsam hatten: B. Traven versuchte Zeit seines Lebens denen eine Stimme zu geben, die sonst keine hatten – den Ausgeschlossenen, den Benachteiligten, den Nichtanerkannten und den Staatenlosen. In seiner Zeit in Mexiko unternahm er mehrere Expeditionen zu den indigenen Völkern und berichtete über die inakzeptablen Bedingungen auf den Arbeitsplantagen. „Das Totenschiff“ beschreibt die Situation eines Menschen, der ohne Ausweispapiere die Erfahrung machen muss, dass die Existenz als Mensch allein nicht ausreicht. Nur wer ein Geburtszertifikat hat, kann Rechte haben.
Zeit seines Lebens schrieb B. Traven über Missstände. In seiner Zeit in München war er besonders aktiv – nicht nur als Autor, sondern auch als werktätiger Mensch, der versuchte, die Gesellschaft mitzugestalten.
In Filmen, Büchern, Artikeln und Youtube-Videos hinterlässt er uns neben der großen Aktualität und Aussagekraft seiner Werke noch ein anderes Geschenk: Nichts kurbelt die Fantasie mehr an, als ein Geheimnis. Oder um es in den Worten eines anderen recht sagenumwobenen Münchner Mannes zu sagen: „Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen.“
Bisher in der Reihe erschienen:
Gedenktafel für Franziska zu Reventlow an der Leopoldstraße 41