Hermann Gfaller wurde 1957 in Traunstein geboren und hat das Schreiben von Gedichten als Mittel entdeckt, um sich über sich und die Welt klar zu werden. Je nach Phase entstanden so Jammertexte, Gesellschaftskritik, Liebesgedichte und alles dazwischen. Er hat als Journalist in den Gebieten Informationswirtschaft und Kunst gearbeitet, malt, schreibt und fotografiert.

Derzeit arbeitet er an einem Band mit dem Titel „Wie ich Euch erlebte“, in dem er sich selbstkritisch mit seinen Begegnungen mit Frauen auseinandersetzt. Dabei ist den noch unveröffentlichten Gerdichten immer ein Text vorangestellt, der die Begegnungen einfängt.

Hier ein gekürzter Auszug zu seinem Gedicht Thot – einem lyrischen Wutanfall, wie er es selbst benennt:

Thot

Der Schriftsteller Jean Paul hat einmal behauptet, er arbeite wie ein Hund, der beim Spaziergang an jeder Ecke stehen bleibt, schnüffelt, Duftmarken aufnimmt und dann seine eigene Marke setzt, bevor er sich wieder aufmacht, um nur wenige Schritte weiter schon wieder etwas interessant zu finden. […]

Dann wurde ich entdeckt, wiederentdeckt. So muss man es wohl nennen, wenn man nach über 20 Jahren eine Mail des Inhalts erhält, ob man denn der sei, mit dem man einst … Nun, wie der Zufall, besser die Zeitläufte es wollen, diese Frau war verführerisch feinstofflich, wie es nur eine esoterische Diva sein kann. Längst verglimmte Feuer flammten wieder auf und –  sie mochte mich, und wir mochten uns.

Ihre spirituelle Welt war mir – um ihrer Willen – eine Entdeckungsreise wert.
Ignoranten, alle, die meinen, wahr sei nur, was wir wissen können. Sie bahnte mir Pfade mit Deutungen von Quantenmechanik und der Theorie spontaner Evolu-
tion. Und so begann ich innere Leere zu schätzen, nach einem Ich hinter dem Ego zu fahnden und achtsam spazieren zu gehen: Achte auf Deine Schritte, nicht, damit Du nicht fällst, sondern, um ihrer selbst willen. […]

Und dann mein Fehler: Ich las, was sie las. Ich lernte kennen, wen sie channelte, wem sie folgte und wurde eifersüchtig. Eifersüchtig auf einen Avatar.

 

Thot

Und grausam ist sie doch und merkt es nicht:
Sie merkt es nicht, denn Thot umduftet sie.

Sie liebt, sagt Thot, ja jeden, irgendwie,
Da kann sie ja nicht böse sein, nein, nein.
Sie liebt nur sich und merkt es nicht,
Weil Thot mit Liebe trumpft, die allen gelten soll.
Er suggeriert: Wer alle liebt, ist nie allein.

Sind wir nicht alle Seelen, wartend schweben,
In Körpern üben, Achtsamkeit erhöhen,
Von Leben zu Leben, vorbei am eignen Leben.
Natur raunen, Einheit ahnen, Gegenwart vergötzen.

Wir Prolos müssen draußen bleiben:
„Ich bin da ganz wo anders“, raunt sie und meint:
„Nicht mehr, wie Du, dem Irdischen verhaftet“.

So lechze ich nach Dir, wie vor
paradiesisch dekorierten Fenstern,
Wie Hunde vor der Metzgerei.

Und seh nur ihre Flucht, versteh:
Ein Wir, das tät ihr weh,
Ein Weh das sagt:
Ich trau Dir nicht,
Ich trau mir nicht,
Ich trau mich nicht,
Sei nett, das reicht.

Nein, doofe Nuss,
Das reicht mir nicht!

Hermann Gfaller