Eine Ausstellung in der Internationalen Jugendbibliothek in Schloss Blutenburg

Von Katrin Diehl

Die Finte geht schon in Ordnung. Zwar liegt eindeutig Erich Kästner vorne, was runde „Lebensdaten“ angeht, da jährt sich 2024 nämlich sowohl dessen 125. Geburts- wie sein 50. Todestag, und Walter Trier (1890-1951) hat diesbezüglich nur Krummes zu bieten, aber Erich Kästner, wie wir ihn kennen und lieben, ist eben ohne den Illustrator Walter Trier weder zu denken noch zu haben. Und deshalb darf der Name des Jubilars im Ausstellungstitel ruhig ein wenig nach hinten rutschen. Der lautet „Walter Trier. Der frech-fröhliche Illustrator von Erich Kästners Kinderbüchern.“ und lädt bis zum 22. September in die Internationale Jugendbibliothek in der Blutenburg ein, die die größte Sammlung von Originalen Triers, so um die 60 sind‘s, zu Kästners Bearbeitung von den Kinderbuchklassikern – von „Eulenspiegel“ über „Münchhausen“ bis zum „Gestiefelten Kater“ – besitzt.

Da steht sie – gleich zu Beginn des Ausstellungsparcours im Foyer des Herrenhauses – leibhaftig vor einem: die vielleicht berühmteste Buchumschlagsillustration der Kinderliteratur. Und zwar in Lebensgröße. Dieses Gelb! Es ist das Walter-Trier-Sonnenblumen-Gelb. Diese Fläche, die dieses Gelb so großzügig wie selbstbewusst und in Plakatmanier füllt! Die Liftfasssäule, hinter der sich da die zwei Jungs mit Schiebermütze (Emil und Gustav?) verbergen, und von der aus sie den Schurken Grundeis – oder wie er sich sonst noch so nannte – beobachten, kommt übrigens in Kästners „Emil und die Detektive“ überhaupt nicht vor und tut es jetzt eben doch, weil Walter Trier das so wollte und dessen lebendige Illustrationen unsere Erinnerungen mitbestimmen. Noch etwas ist an diesem Cover aufregend (und lässt hinter allen Bildern von Trier viel mehr vermuten als ihre Einfachheit das vorzugeben scheint): Die Betrachter*innen befinden sich mit Säule, den zwei Jungs und Langfinger Grundeis am Potsdamer Platz, wo links (Kaiserallee, Ecke Trautenaustraße) eindeutig (die Markise!) das Café Josty residiert(e), auf dessen Terrasse Erich Kästner wohl oft gesessen ist und wohl auch, um „Emil und die Detektive“ zu schreiben. Er musste also nur notieren, was sich vor seiner schlauen Nase abspielte (könnte man meinen). „Emil und die Detektive“ erschien Ende 1929. Es war Erich Kästners erstes Kinderbuch und es machte ihn mit einem Schlag berühmt. Trier machte es nicht berühmt, weil der das nämlich schon lange war.  Den kannte man. In seinem Genre, der Karikatur, hatte er sich durch sämtliche Satireblätter zum allgegenwärtigen Zeichenstar der Weimarer Republik mit sehr liebevoller Feder nach oben humorisiert.

Dass sich Erich Kästner den für seinen Erstling an Land ziehen konnte, dafür hätte er sein Leben lang einer Person dankbar sein können, nämlich Edith Jacobsohn, Verlegerin des Kinderbuchverlags Williams & Co. und seit 1927 Herausgeberin der berühmten „Weltbühne“. Sie hatte Kästner aufgefordert, ein Kinderbuch zu schreiben, und Kästner gehorchte. Jacobsohn nahm, nachdem sie erste Manuskriptseiten zum Emil gelesen hatte, Kontakt zu Trier auf und startete für das sich anbahnende Buch eine Werbekampagne modernsten Ausmaßes. Das Erfolgsduo Kästner/Trier (oder Trier/Kästner) war geboren, das, und das sei am Rande bemerkt, eigentlich mehr oder weniger nur geschäftlich wirklich gut funktioniert hat. Man schätzte sich in seiner Arbeit ungemein, privat war man dann aber doch sehr unterschiedlich gestrickt.

Eine andere Frau war für Kästner als Ideengeberin äußerst wichtig gewesen: die Journalistin und Autorin Jella Lepman, die 1945 aus dem englischen Exil – Lepman war Jüdin – als „Advisor“ in Sachen „erzieherische“ Belange in der amerikanischen Besatzungszone eingesetzt worden war. Sie kam nach München, wo sie später die IJB gründen sollte, nahm Kontakt mit Kästner auf und erzählte ihm von ihrem dringenden Wunsch nach einem Antikriegskinderbuch, ließ sich doch erneutes, kaltes Säbelrasseln zwischen Ost und West kaum noch überhören. Kästner schlug ein, kontaktierte Trier („Sie übernehmen, es gibt keinen anderen …“), der gerade seinen Umzug von England, nach Kanada organisierte, und Trier, ein Pazifist reinster Sorte, der ebenfalls wie Lepman als Jude hatte ins Exil hatte gehen müssen, sagte zu. Was dann begann, war eine ungemein aufwendige Sache: Kästners Manuskript von den klug tagenden wie friedenswilligen Tieren von Welt kam Trier zu, der illustrierte wie ein Wilder. Von Toronto aus gingen an die 100 Blätter per Rohrpost nach München, Zeichnungen, die nach einem anspruchsvollen Layout verlangten. 1949 war es geschafft, kurz vor dem Tod von Walter Trier im Jahr 1951, der Erich Kästner tief traf, auch weil ihm in diesen Jahren das Ausmaß der Nazi-Verbrechen erst so langsam zu vollem Bewusstsein kam. 1938 hatte er Trier noch einmal in London besucht und ihn da tatsächlich zum letzten Mal gesehen.

Ausstellung: „Walter Trier. Der frech-fröhliche Illustrator von Erich Kästners Kinderbüchern“
Noch bis 22. September 2024 in der Internationalen Jugendbibliothek, Schloss Blutenburg, Seldweg 15, 81247 München.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 – 16 Uhr
Samstag und Sonntag 14 – 17 Uhr

Infos: www.ijb.de/ausstellungen/aktuelle-ausstellungen